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Filmkritik: Vaterland! Gott! Familie!

Um Krieg realistisch im Film darzustellen, sagte Regisseur und Veteran Samuel Fuller einmal, müsse man hinter der Leinwand einen Scharfschützen postieren, der auf das Publikum feure.

Auch wenn in Mel Gibsons neuem Epos „Wir waren Helden“ niemand auf die Zuschauer schießt – in den USA wird er als einer der authentischsten Kriegsfilme aller Zeiten gefeiert. Thema: der erste Bodeneinsatz der Amerikaner in Vietnam, November 1965.

Dabei hat sich in Hollywood lange niemand für Vietnamfilme interessiert. Schließlich war die Schmach, so Präsident Bush senior damals, mit dem Sieg über Irak 1991 getilgt. Doch in Zeiten des von Bush junior erklärten Feldzuges gegen den Terrorismus ist Krieg wieder das Thema der Vereinigten Staaten. „Wir waren Helden ist nur einer von einer ganzen Reihe neuer Kriegsfilme, die seit Ende vergangenen Jahres in den USA für Patriotismus, Kameradschaft und Freiheit werben. Wie „Black Hawk Down“ etwa oder John Woos „Windtalkers“, der im August in Deutschland anlaufen soll.

Wie jene beiden Filme erzählt auch „Wir waren Helden“ von einem aussichtslosen GI-Einsatz. Randall Wallace, der Gibson schon „Braveheart“ auf den Leib geschrieben hatte, verfasste nicht nur das Script um die Schlacht, die Gibson als Colonel Hall Moore im Ia Drang Tal schlägt, sondern führt diesmal auch Regie.

Enstanden ist ein beinahe zweieinhalb Stunden andauerndes Leinwandgemetzel, flankiert von einem Napalmflammenmeer, das verkohlte Körper vor die dokumentarisch wackelnde Kamera spült, mit Geschrei und Blut, viel Blut. Bis auf die Kameralinsen spritzen die roten Tropfen gar.

Wallace zeigt wie die GIs per Hubschrauber geradezu engelsgleich aus einem strahlend blauen Himmel ins Chaos stürzen. Ein Chaos, das von irgendwelchen Mächten angezettelt scheint, und in dem jeglicher Versuch menschlichen Lenkens vergeblich ist. Allein auf Gottes Hilfe kann sich der unerschütterliche Colonel Moore stützen, ein ungebrochener Superheld, der klug genug ist, von vornherein zu wissen, dass kaum einer seiner Jungs diesen Kampf überleben wird und patriotisch genug, ihn trotzdem zu führen.

Auch wenn „Wir waren Helden“ vor dem 11. September gedreht wurde, so hat er seinen Erfolg in den USA doch der augenblicklichen Gefühlslage dort zu verdanken: Selbst wenn wir eine Schlacht verlieren, wir stehen aufrecht! Auf den Trümmern wird unsere Fahne wehen, und am Ende werden wir trotz aller Verluste die Sieger sein.

Unterbrochen wird die Chronologie dieses Gemetzels nur von kurzen Zwischenspielen, die die zurückgebliebenen Frauen und ihre Heerscharen von Kindern zeigen. An der Heimatfront kämpft Moores standhaftes Eheweib tapfer mit Haltung und Tränen, wenn sie Telegramme mit Todesnachrichten verteilt. Über ihre Frauen bekommen die Soldaten individuelle Züge, durch ihre Familien werden sie für den Zuschauer unterscheidbar.

Die Notwendigkeit des Krieges aber zweifelt der Film nicht eine Sekunde an. Mit penetranter Gleichmut wiederholt er, dass ein Mann tun muss, was ein Mann tun muss. Und wenn die kleine Tochter Moores ihren Daddy nach dem Abendgebet und vor der Schlacht fragt: „Warum gibt es Krieg?“, erklärt Daddy: Eigentlich sollte es Krieg nicht geben. Doch wenn irgendwo auf der Welt Menschen umgebracht werden, dann kommen Soldaten wie der Papi, um das zu verhindern. Eine gloriose Rechtfertigung der Lieblingsrolle der USA als Weltpolizist.

Das religiös verbrämte Pathos und die altbackene, verlogene Moral machen „Wir waren Helden“ unerträglich. Quälend langsam schleppt sich der Film über 140 Minuten und mit einem Mel Gibson, der zwischen zwei Gesichtszügen pendelt: dem entschlossenen Leader und dem fürsorglichen Vater.

„Mit diesem Film“, so Regisseur Wallace, „wollte ich jeden Soldaten in jedem Krieg darstellen – nicht nur in Vietnam.“ Zwei Aussagen hätten ihn geleitet, um die Geschichte richtig zu erzählen. Das Versprechen Colonel Moores: „Ich lasse keinen Mann hinter mir zurück. Tot oder lebendig, wir werden alle zusammen nach Hause kommen.“ Und der letzte Satz eines sterbenden GIs: „Sag meiner Frau, dass ich sie liebe.“

Filme zeigen den Zustand einer Gesellschaft. Und formen gleichzeitig unsere Einstellung zu ihr. Bei Kriegsfilmen wie „Wir waren Helden“ ein beängstigender Gedanke. Vor dem US-Start im März übrigens, schauten George Bush junior, Donald Rumsfeld und Condoleezza Rice den Film im Weißen Haus an, zusammen mit Mel Gibson und dem echten Colonel Moore, auf dessen Erinnerungen das Drehbuch basiert. Und man wird die Vorstellung nicht los, dass sie sich danach an den Händen fassten und „Vaterland!“, riefen, „Gott! Familie! Freiheit!“



Erschienen in der Financial Times Deutschland