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Report: Verliebt in einen Mann mit Kindern

Sie kuschelt sich gerade zu ihm ins Bett, da schrillt das Telefon. Er springt auf und greift zum Hörer, kaum dass es ein zweites Mal läuten kann. „Ja“, sagt er, „ich komme.“ Er zieht sich wieder an. „Ich muss kurz rüber zu Susie“, erklärt er und ist aus der Tür. Es ist zehn Uhr abends.

Salima Sebahi kann ihren Freund verstehen, ja, sie ist sogar ein wenig stolz auf ihn, dass er sich so hinreißend um seine Ex-Frau und seine beiden Söhne kümmert. Eine Stunde später ist er noch immer nicht zurück, und sie ist langsam genervt über den verpatzen Abend. Er kommt nicht um zwölf und nicht um eins. Um zwei sitzt sie weinend im Bett und denkt nur noch: „Was, wenn er nicht mehr wieder kommt, Wenn er zu ihr zurückkehrt? Was, wenn er mit ihr schläft?“

„Diese Nächte waren furchtbar“, sagt die 32-jährige Immobilienmaklerin, „diese erste Zeit, als ich noch nicht wusste, ob er mich wirklich liebt“. Jetzt ist Salima Sebahi seit fast sechs Jahren mit Detlef Haarmeyer zusammen, und sie ist sich sicherer geworden, was seine Liebe betrifft. Aber immer noch ruft seine Ex-Frau zu unmöglichen Zeitpunkten an. Klar, sagt sich Salima Sebahi, die beiden haben ja zwei Söhne, den 15-jährigen Christian und den 12-jährigen Thomas, die es groß zu ziehen gilt. „Aber“, fragt sie, „muss sie mich am Telefon behandeln, als sei ich ein Nichts oder höchstens seine Sekretärin?“

Verliebt in einen Mann mit Kind – mit dieser Situation werden immer mehr Frauen konfrontiert, denn die Zahl der Patchwork-Familien steigt stetig. Wuchsen laut Statistischem Bundesamt 1991 zwei Millionen minderjährige Kinder bei einem Elternteil auf, waren es 1998 schon über 2,6 Millionen, rund 409 000 davon leben beim Vater. Auch Ariane von Thüngen, Leiterin der Partnerschaftsberatung von Pro Familia in München, hat diese Veränderung bemerkt: Stieffamilien gehören zu ihrem Stammklientel.

So eine Beziehung ist nie unbelastet. Gerade zu Beginn fehlt vor allem Zeit und Sorglosigkeit, um unbeschwert die frische Liebe auszuleben. Die Ex-Frau ist immer gegenwärtig. Die Kinder sind der lebende Beweis von den starken Gefühlen zwischen der anderen und dem geliebten Mann. Und immer wieder trifft das ehemalige Liebespaar aufeinander, muss sich verständigen über Gesundheit, über Schule und Zukunft des gemeinsamen Nachwuchses.

Wie ein Schatten begleitet die Ex die neue Liebe. Sie hat die älteren Rechte und die wichtigeren, so scheint es. „Wenn die Ex-Frau zuviel will, ständig anruft und stört, dann muss der Mann seine neue Partnerschaft schützen“, meint Ariane von Thüngen. Denn das hat die Neue an seiner Seite nicht verdient.

Distanz zur Ex ist vor allem auch für die zweite Frau ratsam, weil die Gefahr groß ist, dass der Mann sich zurückzieht und Streitigkeiten die beiden Frauen klären lässt. Von außen lassen sich diese Beziehungsgeflechte einer Stieffamilie besser aufdecken: „Ein paar Ratschläge können hier sehr leicht andere Blickwinkel öffnen“, erklärt Ariane von Thüngen.

Eine Stiefmutter schlägt sich meist mit zwei Problemen herum: Zum einen ist sie nicht das Wichtigste in seinem Leben, seine Kinder stehen an erster Stelle. Zum anderen hat sie Angst, nur seiner Bequemlichkeit zu dienen und ausgenutzt zu werden: als Kindergärtnerin, Spielgefährtin und Erzieherin. Da heißt es Regeln fürs Zusammenleben zu finden. Ariane von Thüngen hat zwei ganz einfache parat: „Kinder haben den Vortritt in Sachen Liebe“, sagt sie, „dafür darf der Vater von der zweiten Frau nicht verlangen, dass sie automatisch seine Kinder betreut. Eigentlich muss er sich in der Hinsicht für alles bedanken.“

Denn nichts ist selbstverständlich. Doch gerade Witwer, so die Erfahrung der Beraterin, überlassen viel der zweiten Frau. Diese Erfahrung hat auch Sabine Köster gemacht. Sie war 20 Jahre alt, als sie plötzlich eine ganze Familie versorgen musste. Sie hatte sich in Barcelona unsterblich verliebt: in den attraktiven José-Luis, einen Witwer mit zwei Töchtern. Ein halbes Jahr später ließ sie sich von ihrer Firma nach Spanien versetzen und zog zu ihrem Traummann, der siebenjährigen Cecilia und der elfjährigen Aurora.

„Ich habe mich in die neue Aufgabe als Ersatzmutter richtig reingekniet“, erzählt die 26-jährige rückblickend, „wie besessen bin ich von der Arbeit nach Hause gerast, um für die Kinder da zu sein. Aber meine Leistung hat er nie anerkannt.“ Ob Kochen, Aufräumen oder Elternabende – sie war Ansprechpartnerin, wenn es um seine Kinder ging. „Ich hatte immer Angst etwas falsch zu machen Ich hatte ja keine Erfahrung“, erzählt Sabine Köster, „ich fühlte mich völlig überfordert.“ Und wie reagierte der Vater? „Der ist nie eingesprungen. Wenn ich ihm das vorwarf, sagte er: ‚Mach nur soviel du kannst.’ Aber sobald ich aufhörte, mich zu kümmern, stand alles still. Das war wie ein Hamsterlaufrad.“ Doch den Alltag in den Griff zu bekommen war nicht das größte Problem für die Hamburgerin. „Ich konnte meine Vorstellung von Erziehung nie verwirklichen, nie mal etwas strenger sein. Immer wenn ich von den Kindern etwas erwartet habe, hieß es: ‚Du bist nicht unsere Mutter.’ Das war sehr verletzend.“

Kinder, so weiß Ariane von Thüngen, tragen die unerledigten Konflikte des alten Paares mit dem neuen Partner aus. Das ist besonders bei der Konstellation Stiefmutter/Stieftochter der Fall. Zwar freuen sich die Mädchen auf ein anderes Frauenvorbild, sind aber auch eifersüchtig, dass sie den Vater nicht mehr für sich alleine haben, und müssen drittens ihrer Mutter loyal bleiben. Diese Mädchen leben in einem Gefühlsgemisch, das leicht explodieren kann. Deshalb: „Nicht in Streitigkeiten verwickeln lassen“, meint Ariane von Thüngen, „und sich immer wieder klar machen, dass das nicht gegen einen persönlich gerichtet ist.“

Gleiche Pflichten, aber keine Rechte – das stört empfindlich das Fairness-Gefühl. Ariane von Thüngen: „Ganz wichtig ist eine Balance von Gerechtigkeit.“ Das heißt auch, dass die neue Frau an seiner Seite Mitspracherecht bei der Wochenendplanung haben muss, dass nicht nur Mann und Ex-Frau bestimmen, wann das Kind den Papa besucht. Dass die Lebensplanung der Ersatzmama ernst genommen wird. „Diese Balance ist leichter zu finden, wenn beide Partner Kinder haben“, weiß die Paartherapeutin, „schließlich haben sie dann auch ähnliche Probleme.“

Noch leichter wird es, wenn ein gemeinsames Kind dazukommt. Solche Patchwork-Familien haben die besten Voraussetzungen. Zwar birgt die Ankunft des Neuankömmlings Konflikte, weil die älteren Kinder Angst haben, nicht mehr gefragt zu sein, aber das kleine Wesen schweißt die Familie auch zusammen. Denn nun sind alle indirekt miteinanderverwand. Wie in der Familie Schlaeger.

Die anderthalbjährige Eileen hockt in dem großen Wohnzimmer neben Schäferhund Pascha und versucht, ihm einen Waschlappen über die Schnauze zu legen. „Seitdem Eileen da ist, läuft alles viel besser“, sagt Gaby Schlaeger, „die Großen sind nicht mehr eifersüchtig, sondern sie kümmern sich um die Kleine.“ Dabei war Eileen gar nicht geplant und Vater Michael zuerst nicht sonderlich begeistert über den Familienzuwachs, Denn eigentlich, dachte er, ist die Familie groß genug mit Andree (12), Dennis (15) und Sarah (12) – und kompliziert genug. Denn Andree ist Gabys Sohn, und Dennis und Sarah kommen aus Michael Schlaegers erster Ehe.

„In den ersten drei Jahren gab es ziemlich viel Streit“, sagt Gaby Schlaeger, „hauptsächlich wegen der Kinder. Denn unsere Söhne haben sich überhaupt nicht vertragen. Ich habe dann meinen Sohn verteidigt und er seinen. Und irgendwann versuchten die Kinder und gegeneinander auszuspielen.“ Sehr hilfreich waren die Regeln, die Schlaegers aufgestellt haben: Streit tragen sie nie vor den Kindern aus. Ärger wird erst einmal heruntergeschluckt und dann hinter verschlossenen Türen diskutiert. Geholfen haben auch die vielen Gespräche untereinander. Deshalb ist ihnen das gemeinsame Frühstück am Samstagmorgen heilig. „Da sitzen wir alle auf einen Haufen, und jeder kann offen seine Meinung sagen“, erklärt Michael Schlaeger.

Schwierig ist immer noch die Beziehung zu seiner Ex-Frau, weil sie gemeinsames Sorgerecht für Sarah haben. „Die mischt sich permanent in unser Leben ein und möchte mitentscheiden“, klagt Gaby Schlaeger. „Aber“, räumt sie ein, „irgendwie kann ich sie ja auch verstehen“. Auch Ariane von Thüngen weist darauf hin, dass die leibliche Mutter ihren Platz behalten muss, dass sie anerkannt werden muss. Selbst wenn sie schwierig ist. „Schließlich ist sie die Mutter“, sagt die Partnerschaftsberaterin, „und mit der muss sich das Kind letztendlich auseinander setzen.“

Gaby Schlaeger hält Nachzügler Eileen im Arm und meint zufrieden: „Das hat unheimlich viel Nerven gekostet, aber jetzt haben wir uns zusammengerauft.“ Sieben Jahre nachdem sie sich kennen gelernt haben, sind die Schlaegers eine Großfamilie.

Sabine Köster dagegen hat nach sechs Jahren aufgegeben und ist nach Deutschland zurückgekehrt. Ein eigenes Kind mit José-Luis war immer ausgeschlossen, obwohl sie es sich so sehr wünschte: „Ich redete mir ein, dass mir die beiden Mädchen reichen.“ Die 26-jährige streicht das lange braune Haar zurück und fährt fort: „Heute würde ich solch eine Beziehung anders angehen: mit mehr Distanz. Aber ich habe dadurch gelernt, meine Grenzen zu zeigen und auch einmal nein zu sagen.“

Und Salima Sebahi? Die freut sich schon über kleine Schritte: Gerade hat ihr Freund Detlef seiner Ex-Frau ganz deutlich klar gemacht: Ja. Mit Salima will ich zusammen bleiben.“


Erschienen in der Maxi